07.09.2024: Karwendel: NaturNah auf Laliderer Falk und Risser Falk

Begonnen von geroldh, 02.10.2024, 18:18

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geroldh

Es gibt Gegenden im Gebirg', die haben andere Bergler als ihre Hausberge quasi vor der Tür, für mich reicht es oft nur zu einem Besuch mit Begehung der "Standardroute" auf den Hauptgipfel, für abseitige "Spezialtouren" habe ich dann die eigenen Hausberge... #mountain#
So liegt meine persönliche Erstbesteigung des höchsten Gipfels in der kleinen Falkengruppe bereits vier Jahre zurück - 12.07.2020: Karwendel: Gemeinsam einsam auf den Laliderer Falk - und weil es von Rosenheim aus ein gutes Stück um's Eck zum Fahren ist, war dies auch gut so.

Der Stefan, alias "Herr_Hase" bei hikr, dagegen ist aktuell in "die Falken" (und auch den Guffert) ein wenig vernarrt und durch seine alternativen Routen am Guffert, die mir sehr zugesagt hatten, habe ich mir auch seine weiteren Berichte angesehen - und mir bereits eine Alternative auf den "LF" für die kühlere Jahreszeit vorgenommen. Dann kam sein Hinweis auf die Erkundung und Beschreibung einer weiteren Kraxelroute - Laliderer Falk - Westanstieg aus dem oberen Falkenkar (29. Aug. 2024) - und mit der Angabe, daß dieser Aufstieg fast komplett im Schatten verläuft, war dies mit der anstehenden Wettervorhersage geradezu ideal für mich.
So beschloß ich, mir diese Route im Auf- und Abstieg anzusehen, und weil schon mal dort im oberen Falkenkar unterwegs, auch den gegenüber liegenden Gipfel Risser Falk (2414m) - "der Unersteigliche" (ADI, 23. Sept. 2006) via dem anspruchsvollen "Normalweg" mitzunehmen. Relativ spontan habe ich dann vor Ort beschlossen, den Westgrat vom Laliderer Falk zu "überschreiten" und das sich anschließende Halbrund weiter bis hinüber zur sog. Grüne-Rinn-Scharte zu versuchen, dem "Einstieg" zum Westgrat des Risser Falk Gipfelaufbau's.

Genau passend zum Wochenende wurde der (vor)letzte heiße Sommertag angekündigt, genau genommen war's sogar ein "AKW" #sonne5# (d.h. Außerordentliches-Kaiser-Wetter) mit spätsommerlichen Temperaturen ohne Wind bis hinauf zu den Gipfeln, also geradezu ideal für einen NaturNahen Aufstieg fast vollständig im Schatten durch das einsame Falkenkar hinauf. Außer Gämsen werde ich dort wohl niemanden erschrecken können, wie Stefan meinte. ;) 

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Erster Blick vom Forstweg in das Falkenkar mit Risser Falk und Kleiner Falk

Um 5:40 Uhr ab Rosenheim fährt mich der erste Zug (BRB) des Samstags nach "HoKi", dort gemütliches Umsteigen in die BOB nach Lenggries und von dort in den RVO- bzw. MVV-Bus 369 (früher Bergsteigerbus Karwendel - heute Bergbus Eng; jedoch nur Sommer-Saison). Während unter der Woche nur je zwei Verbindungen tagsüber bestehen, (mind.) eine Übernachtung (Biwak?) vor Ort für eine Tages-Bergtour erforderlich werden würde (analog zu meinen diesjährigen beiden Öffi-Touren an den Guffert), gibt es am Wochenende (und Feiertags) bis zu sieben Verbindungen pro Richtung - und passgenau mit der Ankunft des Zuges die erste Möglichkeit für Frühaufsteher. Mit der Ankunft des ersten Buses gegen 8:00 Uhr auf Höhe der Mautstelle in der Eng und der Abfahrt der letzten Verbindung gegen 18:45 Uhr verbleiben für eine Tagestour etwa 10 Stunden, plus etwas Toleranz - der Rucksack kann also angenehm leicht bleiben.

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Im oberen Teil des Falkenkars - am einfachsten über die begrünte Moräne rechts

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Wie der Trichter einer großen Sanduhr - etwas mühsam, aber mensch kommt durch

Ausgehend vom Parkplatz "Johannestal" ("P4", ca. 950 m, 8:10 Uhr) geht es zum Aufwärmen - die Klimaanlagen in Zug und Bus haben mich doch etwas herunter gekühlt - zügig auf der Forststrasse entlang des Rißbachs dahin. Kurz bevor der Weg vom Bach Abstand gewinnt und anzusteigen beginnt, werden zwei hopfige Getränkedosen in der Uferböschung für die Rückkehr deponiert. Die Morgensonne scheint hier bereits ins Tal hinein und unmittelbar nach der nicht näher markierten Abzweigung von der Bergrad'l-Route zur Falkenhütte kann es für mich nun NaturNah weitergehen. Am Falkenkarbach ist das kleine Steiglein schnell gefunden (ca. 8:45 Uhr), beim Wasserfall werden die Trinkflaschen aufgefüllt und heute eben sehr luftig "angezogen" führt es mich nur wenig schweißtreibend durch die steile Nadelwald-Latschenzone in das Falkenkar hinauf. Der Steig wird zunehmend unscheinbarer, die Steinmänner als Markierung werden weniger, aber die Richtung ist ohnehin klar: Einen schmalen "Durchgang" gilt es zu erreichen (ca. 10:40 Uhr), der sonnengeschützt wohl bis in den Sommer hinein mit Altschnee gefüllt ist und das sog. Obere Falkenkar abtrennt. Für den Notfall gäbe es hier direkt auf dem Felsen noch etwas mühsam einzufangendes Wasser, das ansonsten im Kar unter dem vielen Schutt kaum mehr zutage tritt.

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Blick das Falkenkar hinaus mit Fleischbank - Hölzelstaljoch - Grasberg

Auf dem zarten Ansatz eines Schuttrückens steige ich zu einem größeren Fels empor, der vergleichbar einem Balkon eine gute Möglichkeit bietet, sich den entsprechenden Text in der Beschreibung nochmal anzusehen und sich einen Überblick des Geländes zu verschaffen. Die Steilheit und der viele lose Schutt macht hier ein Fortkommen mühsam, noch etwas aufsteigen und dann waagrecht direkt unter die ansetzende Wand hinein zu queren stellt noch den sinnvollsten Ansatz dar. Durch die aufgestellten Gesteinsschichten der sog. Allgäudecke hat es hier einige kleine Rippen, die sich parallel nach oben ziehen. Hier im unteren Bereich entscheide ich mich direkt rechts an der kleinen Felswand zu bleiben, was sich bald darauf als wertvoll herausstellt: Ein Surren ist zu hören und einen Augenblick später zerschellt unweit von mir ein Stein - und nur wenig später rennt eine Gams von oben herab an mir vorbei. Bevor es dann entlang dem Wand'l zu steil wird, entscheide ich mich nach schräg außen in Richtung Rand zu steigen und ein erster Steinmann von Stefan gibt die unmittelbare Rückmeldung hier richtig zu sein. Damit liegt der meiner Meinung nach heikelste Abschnitt hinter mir und nach vorne hin gibt das Gelände im Wesentlichen die Kraxel-Route vor, einige Stoamandl bestätigen dies. Das moosige Grün und die etwas lehmige Erde sind feucht und damit etwas rutschig, aufwärts ist es weniger ein Thema, aber wenn ich hier später wieder hinunter möchte...

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Im oberen Falkenkar am "Einstieg" (Bildmitte) auf die abtauchende "Allgäudecke"

geroldh

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Bereits weiter oben: Blick hinüber auf "P2317" sowie Grüne-Rinn-Scharte und Risser Falk

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Fast oben: Der östlich gelegene Vorgipfel vom Laliderer Falk rückt ins Blickfeld

Etwas unterhalb der kleinen Scharte der sog. Sprungrinne erreiche ich auf einem kleinen Grasbuckel die Sonne und in der sich anschließenden kleinen Rinne auch wenig später den Gratbereich. Dort hat es dann passgenau die einzige Begegnung auf der Tour, ein älterer Bergsteiger ist auf seinem Abstieg durch das Blausteigkar, er berichtet noch, es im dritten Anlauf nun von dieser Seite aus geschafft zu haben. Nach etwa vier Stunden Aufstieg wird kurz nach Mittag (ca. 12:15 Uhr) der 2428 m hohe Gipfel des Laliderer Falk, der höchste Meßpunkt in der Falkengruppe, erreicht. Ein Gipfelkreuz gibt es nicht, nur ein Steinhaufen. Eine knappe Stunde verbringe ich dort oben, die Aussicht bewundernd, im Gipfelbuch blätternd und mit einer kleinen Brotzeit etwas stärkend. Bis zur kleinen Scharte gilt das Motto "obe wia aufe...", doch dann überlege ich die angedachte Routenführung - der gegenüberliegende Risser Falk soll ja den nächsten Umkehrpunkt darstellen - in Zusammenhang mit dem mir nun verbleibenden Zeitfenster. Also so kompliziert hat sich eine Überschreitung des Gratbereichs nicht gelesen - und oben herum sollte, auch mit der Unsicherheit der Routensuche, definitiv energie- und zeitsparender sein. Damit ist die Entscheidung gefallen...

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Teil des Gipfel-Pano's über den Vorgipfel hinweg ins Vorkarwendel und Mangfallgebirge

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Weitwinkel-Blick nach Ost: Vorne unten der Laliderer Bach - und dahinter: Berge...

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Blick nach Ost: Irgendwo unterwegs das Kaisergebirge und im Hintergrund der Watzmann

geroldh

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Blick auf den Westgrat mit "P2317" als Zwischenziel und Risser Falk als Abschluss

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Auf dem Grat kurz vor der Besteigung von "P2317": Blick zurück auf Laliderer Falk

So steige ich von der kleinen Scharte zu einem Gratgupf auf, auf dem ein Steinmann auszumachen war (13:15 Uhr). Danach wird der Grat exponierter, aber die Experimentierfreude diesen im Abstieg zu versuchen, lasse ich erst gar nicht aufkommen, wo doch auf der Südseite zarte Begehungsspuren viel weniger Ausgesetztheit verheißen. Und so kann südlich unterhalb der Gratschneide relativ einfach bis zum nächsten Grathöcker gequert werden. Diesen Aufschwung lasse ich nun links liegen und traversiere nördlich daran vorbei, um anschließend wieder in der südlich ausgerichteten Flanke angenehm weiter zu kommen. Dann wird ein markanterer Fels-Aufschwung erreicht (OSM: 2317 m), der immer einer kraxelfreunlichen Linie folgend, gut und etwa mit UIAA II-III erstiegen werden kann. Der oben nach Süd abgehende Grat zieht zum bekreuzten Steinfalk (2348 m) hinüber, der von der anderen Seite durch einen Steig erschlossen ist. Mich führt der dritte Gratverlauf relativ einfach in nordwestliche und anschließend in nördliche Richtung, teilweise Felsaufschwünge links/westl. umgehend, bis auf einen grasbewachsenen Zwischengipfel. Hier suche ich etwas, bis ich die eigentlich logische Möglichkeit direkt nördlich hinunter (ca. UIAA II) in eine Scharte finde. Hier vermute ich die sog. Grüne-Rinn-Scharte, dessen ostseitiger steiler Abstieg später zu finden ist, um wieder hinunter ins Falkenkar zu gelangen.

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Weitwinkel-Blick vom "P2317" ins Falkenkar und entlang des Grats auf den Laliderer Falk

Doch die genaue Begutachtung verschiebe ich auf später, zuerst möchte ich auf jeden Fall noch den nächsten Gipfelpunkt erreichen. Mal auf dem Grat, mal etwas tiefer in der Ostflanke führt mich eine zarte Spur mit einigen Stoamandl markiert diesem Ziel entgegen. Die Beschreibung von ADI ist knapp gehalten, aber recht viel mehr braucht es auch nicht: Die alpine Erfahrung wirken lassen, nach den leichteren Möglichkeiten Ausschau halten, die doch ausreichend mit Dauben markiert sind - und vor allem, nicht durch Unachtsamkeit, z.B. loser Untergrund, in die steile Ost-Flanke abzuschmieren...

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Weitwinkel-Blick vom "P2317" nach vorn, also entlang des Grats auf den Risser Falk

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Weitwinkel-Blick vom "P2317" nach Süd auf Steinfalk und Laliderer Nordwand

geroldh

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Teil des Gipfel-Pano's über den Kleinen Falk hinweg ins Vorkarwendel und Mangfallgebirge

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Weitwinkel-Blick vom Risser Falk hinüber auf Totenfalk - Turmfalk - Laliderer Falk

Auch auf dem Risser Falk (2414m, 15-15:30 Uhr) gibt es nur einen Steinhaufen mit Gipfelbuch-Kassette - in dieser Saison 2024 ab etwa Mitte Juni bin ich die "Nr. 15" auf diesem Gipfel. Die Aussicht ist nach wie vor überragend, es hat kaum Wind und es ist warm. Doch so langsam stellt sich innere Unruhe ein, es gibt ein immer kleiner werdendes Zeitfenster bis zum letzten Bus und ich kenne den anspruchsvollen Abstieg bisher nicht. Im Nachhinein wäre eine noch etwas ausgiebigere Pause drin gewesen, doch mit das gefährlichste was mensch sich aufladen kann, ist durch Zeitdruck hervorgerufene Unachtsamkeit im ausgesetzten Gelände und dies auch noch im Abstieg. Ganz ablegen kann ich die innere Unruhe dennoch nicht, doch so vorsichtig wie möglich finde ich den "Weg" zurück bis in den Bereich der sog. Grüne-Rinn-Scharte. Dort ist dann schauen und etwas überlegen gefragt, um ostseitig die zarte Spur durch das steile und schrofige T5-Gelände zu erkennen. Diese führt dann doch weniger schlimm als befürchtet zu der kleinen begrünten Scharte, die eine Auswülstung des Grates nach Osten unterbricht. Auf der anderen Seite gilt es immer noch vorsichtig abzusteigen - ich wähle dazu den grasigen Bereich - dann kann ich im nun weniger steilen Schutt etwas Tempo machen - und stehe gegen 16 Uhr wieder im Oberen Falkenkar.

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"P2317" vor Steinfalk und Laliderer Nordwand mit der kleinen Falkenhütte im Joch davor

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Blick aus dem T5-Gelände durch die kleine Scharte auf die "Allgäudecke" vom Laliderer Falk

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Und als Finale nochmal das obere Falkenkar mit Laliderer Falk und "P2317" als Weitwinkel

Ab jetzt ist quasi "da Kas' biß'n", zwar braucht es das ganze Falkenkar hinunter noch ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit, aber nun abschätzbar bin ich zeitlich bestens dran und kann der nachlassenden Konzentration durch Reduktion der Geschwindigkeit etwas nachgeben. Bereits wieder auf dem Steig unterwegs rutschen mir plötzlich beide Schuhe gleichzeitig auf einem feuchten und gerundeten Stein weg - beidseits müssen die Latschenäste einem drohenden Sturz auf den Hintern (ggfs. das Steißbein) abfangen - puh, nochmal gut gegangen. Unten am Wasserfall versucht das Wasser mich zu erfrischen, die Trinkflasche bekommt noch einmal einen Teil ab, dann bin ich wirklich froh, den beginnenden Forstweg zu erreichen und den sich fortbewegenden Beinen noch weniger Aufmerksamkeit zukommen lassen zu müssen - die mentale Erschöpfung darf sich nun durchsetzen. Kurz vor dem Fahrweg von der Falkenhütte hat das NaturNah sein Ende, gemütlich schlendere ich zum Rißbach hinab, der Inhalt einer Getränkedose (Radler) findet mit der noch vorhandenen zweiten Hälfte der Gipfelbrotzeit in den Magen, gegen 18:30 Uhr schlendere ich zur Bushaltestelle, der letzte Bus ist zuverlässig, anschließend die BOB und die BRB weniger...

In den Folgetagen hat dann das Wetter komplett umgeschlagen und nicht nur ein früher, sondern auch überaus heftiger Wintereinbruch #schnee2# bringt am Folgewochenende den ersten Lawinentoten hinten in der Eng (Abstieg von der Binsalm zum P) und im Bereich der Zugspitze für Mitte September kaum dagewesene Schneemengen: ,,Ab einer Höhe von 1500 Meter liegen 20 bis 30 Zentimeter Schnee, ab 1900 Metern ist es ein halber Meter und ab 2500 sind es 80 Zentimeter" (Bergführer Sepp Hümmer: ,,Wer jetzt ins Höllental geht, kriagt a Watschn"). 8)

Bergautist

Zitat von: geroldh am 02.10.2024, 18:25...Bereits wieder auf dem Steig unterwegs rutschen mir plötzlich beide Schuhe gleichzeitig auf einem feuchten und gerundeten Stein weg - beidseits müssen die Latschenäste einem drohenden Sturz auf den Hintern (ggfs. das Steißbein) abfangen - puh, nochmal gut gegangen. ...
Toller Bericht!

Gerundete Steinchen auf schrägen Felsplatten scheinen eine Spezialität im Karwendel zu sein und hatten mich zuletzt am Sonnjoch erwischt... #hihi#