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16./17.10.2024: Brandenberger Alpen: NaturNah & Xweise über den Unnutz

Begonnen von geroldh, 24.10.2024, 16:04

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geroldh

Die Idee für diese beiden Touren entwickelte sich bereits im Sommer, nachdem ich gegenüber am Guffert entsprechend abenteuerlich unterwegs war und indem ich die Ansätze (d.h. gepunktete Steige) in der ÖK50-Karte (z.B. Austrian Map) an diesem Bergstock betrachtet habe.
Was davon heute noch begehbar ist, gilt es spät. vor Ort heraus zu finden - und solange kein undurchdringlicher Latschen-Dschungel mir im Weg liegt, komme ich auch "weglos" im nicht allzu steilen Gelände gut zurecht.
Mit dem Bergnamen Unnutz (alt: Unnütz) ist fast unweigerlich der Begriff Überschreitung verbunden - viele Begeher machen diese standardmäßig "verkürzt" und eher unspektakulär (dazu später mehr) - doch ich wollte mal was anderes versuchen.

Für den ersten Tag mit der verzögernden Anfahrt mittels dem ÖPNV wurde die kürzere Quer-Überschreitung entwickelt und bzgl. der Richtung im mir bisher völlig unbekannten Gelände nach vernünftigen Ansätzen gesucht, z.B. sollte der Aufstieg die schwierigere Route darstellen. Ohne intensiv nach (oft subjektiven) Beschreibungen zu suchen, wurde das (online) zur Verfügung stehende Kartenmaterial genauer betrachtet (auch das Orthofoto) und das erkennbare Gelände mit meinen Berg-Erfahrungen abgeglichen.
Der obere Ausstiegsteil eines Ostgrats in der breiten Ostflanke (= VM-Sonne) erscheint etwas steiler und felsdurchsetzt, dagegen gibt es durch die steile Westflanke (= NM-Sonne) offenbar einen alten (Jagd)Steig "parallel" zum markierten Normalweg. In der OSM-Karte ist er verzeichnet - und alleine dadurch bereits als "existent" und für mich als machbar erkennbar. In der Datenbank ist ergänzend vermerkt: "Alter Wanderweg, der nicht mehr ausgeschildert aber noch gut markiert ist. Eigenschaften des Wegs ergänzt (Schwierigkeit = T4 alpine_hiking)" mit Eintrag Mitte Oktober 2022. Damit ist die Richtung als O-W-Überschreitung gefunden - wohl nichts für den (Hoch)Sommer, aber jetzt im Herbst geradezu ideal.

Dazu passt auch sehr gut, dass mit der Zug- (RO ab 6:37 Uhr) und Bus-Anfahrt via "HoKi" und Tegernsee (längere Umsteige-Pause) die grenzüberschreitende Bus-Verbindung MVV#390 (Ziel: Pertisau) im nördlichen Ortsende von Achenkirch (HS: Abzweigung Steinberg am Rofan) eine gute Anschlussmöglichkeit mit dem Bus VVT#7801 in das stille Seitental hinein bietet.
Prinzipiell wäre nach dieser (Tages-)Tour vom Ortszentrum Achenkirch (ca. 17:45 Uhr, HS: Bäckerei) auch die Heimfahrt möglich, doch als Experimental-Tour (mit Erkundungsabstechern) konzipiert und für den Folgetag die Längs-Komplett-Überschreitung eingeplant, habe ich wieder meine Freiluft-Übernachtungsausrüstung in einem größeren Rucksack dabei, der beim Umsteigen in der Nähe im Gebüsch deponiert wird.

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Der Hinterunnutz von der Oberen Bergalm - der Aufstieg erfolgt knapp außerhalb linker Bildrand

So fährt mich der Bus noch "hinter" den Unnutz-Stock und ich starte gegen 10:15 Uhr an der bereits von meinen Guffert-Touren bekannten Haltestelle bzw. Parkplatz "Waldfrieden" bei der Unteren Bergalm auf ca. 1000 m. Zuerst folge ich parallel der Fahr-Strasse auf der historischen Tal-Verbindung wenige hundert Meter weiter, an einer Kapelle und Trinkwasser-Quelle vorbei, bis in den Bereich der Oberen Bergalm. Dort bietet sich ein freier und schöner Blick in die Ostflanke des ganzen Unnutz-Bergstocks - ich versuche "meine" Aufstiegsrippe zu erkennen. Für etwa 150 Meter wird einer Forststrasse gefolgt, um diese dann nach rechts auf einen kleineren Waldweg zu verlassen. Hier steige ich um auf barfuß und - diese Freiheit nehme ich mir seit Corona bei passender Begleitung oder Solo-Touren - auch wieder auf NaturNah, denn irgendwelche zweibeinigen Begegnungen sind hier nicht zu erwarten.

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Der Hinterunnutz mit kleinem Teil der Ostflanke von einem Jagd-Ansitz aus gesehen

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Blick auf den Guffert vom weglosen Aufstieg im lichten Bergwald

Am Ende dieses alten Waldweges (1160 m, 11 Uhr) führt zwar noch ein Pfad zu einem Jagd-Ansitz weiter, aber wie in der ÖK50-Karte als gepunktete Linie verzeichnet, ist von dem ehemaligen auf der Höhenlinie verlaufenden Steig nichts mehr zu erkennen. Dies macht aber nichts, denn unter hohen Bäumen lässt es sich auf dem weichen Waldboden hervorragend steigen und entlang des breiten Bergrückens aufwärts ist die Richtung ohnehin klar. Vorab hatte es auf dem Luftbild den Anschein, dass in der Latschenzone eine Gasse den Geländerücken folgend zu erkennen ist - und tatsächlich, etwa auf 1500 m sind bei den ersten Latschen einige Jahre alte abgeschnittene Äste zu erkennen. Nicht ganz ohne Verhauer und mit einer längeren Mittagspause (13-13:45 Uhr) an einem sonnigen und windgeschützten Platz gelange ich so bis etwa 1700 m hinauf.

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Blick voraus über den Latschenrücken auf den weiteren Aufstieg mit GK Hochunnutz dahinter

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Der Mt. Guffy unter Föhnwolken - links-unten meine beiden Aufstiegsrouten vom Sommer...

Danach folgt grasiges Gelände, ein eingelagerter Felsbereich lässt sich barfuß rechts/nördl. umgehen und der sich daran anschließende Latschenbereich links/südseitig. Auf dem Geländerücken weiter aufwärts wird an passender Stelle hinter die Latschen gewechselt, da der anschließende finale Aufschwung dort ebenso mit Grasbewuchs aufwartet. Während meiner Mittagspause konnten oben am Grat zwei Personen bei ihrer Überschreitung erkannt werden, auch einige Besucher auf dem einfach zu besteigenden südlichen Gipfel Vorderunnutz, doch jetzt auf der freien und grasigen Hochfläche angekommen, ist um diese Zeit niemand mehr auszumachen. So steige ich also vom Windschatten final auf den bekreuzten Gipfel des Hochunnutz (2075 m, 15:15 Uhr) hinauf - und bin etwas überrascht wie dunkel es bereits hinter dem Achensee in Richtung des Hauptkamms ist. Aus einer dichten Bewölkung regnet es dort heraus, während hier gerade noch die Sonne durchscheint.

geroldh

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Vom Ausstieg ein Blick zurück auf den im rechten Teil begangenen Ostgrat

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Vom Ausstieg ein Blick nach Norden auf den Hinterunnutz, mein Zwischenziel für morgen...

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Vom Ausstieg ein Blick nach Süden auf den Vorderunnutz (morgen...) - und den Hochunnutz

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GK Hochunnutz - außerhalb des rechten Bildrandes hat es dunkle und nasse Wolken...

Eine längere Rast läßt der frische (Föhn)Wind nicht zu, nach dem Gipfelbucheintrag geht's zurück in den Windschatten und die grasige Hochfläche hinunter bis zum Beginn der Latschenzone. Dort wird der Abzweig ("A.H." mit Steinmann) und damit der Einstieg in den alten Steig gefunden. Nun ziehe ich die Schuhe an, denn dieser Pfad führt ziemlich steil und nahe an Rinnen vorbei durch ausgeschnittene Latschen nach unten, deren Äste den auf oft feuchtem, erdigen Boden rutschenden Schuhen eine kurzfristigen Gegenhalt für die Hände geben - die Bewertung T4 ist angebracht und dieser Steig sonst besser aufwärts zu begehen. Etwa auf Höhe der stets sichtbaren Zöhreralm bietet sich ein Pausenplatz an, die für den Gipfel mitgenommene Getränkedose zu leeren, dann wird auf etwa 1320 m der markierte Steig erreicht und auf diesem zum "Adlerhorst" (1226 m), einem (heute?) bereits geschlossenem Berggasthaus, abgestiegen (ca. 17:30 Uhr). Daneben war früher die Bergstation eines Einer-Sessellifts, dem sog. Sonnberglift - heute steht auf dem Fundament ein Telekommunikationsmast.

Dann hatsche ich natürlich nicht die langweilige Zufahrtsstrasse hinab, sondern finde unterhalb des Hauses im Waldsaum zwischen aufgelassener Skipiste (durch die sonnige Westhanglage einfach ohne Zukunft) und einem breiten Graben eine angenehme Möglichkeit zum Absteigen, ggfs. sind auch alte Steigansätze zu erkennen. Nach etwa 100 Höhenmetern mit dem Queren eines kleinen Wegs stosse ich auf die Reste einer alten Sommerrodelbahn. Meist direkt in der Wanne - solange kein Laub in der Bahn liegt, kann mensch problemlos drin laufen, sie ist extrem griffig - werden die nächsten 150 Höhenmeter abgestiegen, bis die Reste ohne "Auslauf" direkt an einem bereits beleuchteten Spazierweg enden. Dort ist mein NaturNah nun endgültig vorbei und bei einsetzender Dämmerung geht's unter die Staatsstrasse hindurch in den Ortskern von Achenkirch (916 m) hinein (Trinkwasser-Brunnen).

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Das "Ende" einer Sommerrodelbahn der früheren Generation - aber immer noch sehr griffig...

Zuhause lässt sich recherchieren, dass der Sonnberglift um die Jahrtausendwende stillgelegt wurde, einige Jahre ein "Lost Place" war und dann vor etwa 20 Jahren ganz abgerissen wurde - nur die Reste der alten Sommerrodelbahn "Sunny Roll" im Boden wurden dabei "übersehen". Der Einer-Sessellift hinauf zum heutigen "Adlerhorst" wurde mit Piste wohl um 1975 herum errichtet, eine Zwischenstation und die Sommerrodelbahn aus glasfaserverstärktem Kunststoff wohl um 1980 herum (vgl. ÖK50 Zeitreise). Offenbar gab es um 2005 Pläne für eine umfassende Modernisierung der Bahn mit Schrägaufzug zur ehemaligen Mittelstation, doch mit dem "einsetzenden" Klimawandel und dem fehlenden Wintergeschäft - ein großes Skigebiet ist gleich gegenüber - war die Investition wohl nicht mehr rentabel. Auf dem Areal der früheren Talstation wurde nun ein Biomasse-Heizwerk errichtet und der Parkplatz zum Wohl der Gemeindekasse von Achenkirch gebührenpflichtig.

Auf YouTube gibt's ein schönes Video von einer baugleichen Rodelbahn in Kärnten, die im Jahr 2017 geschlossen und dann komplett abgebaut wurde:
Sunny Roll Sommerrodelbahn Eberndorf 2016
"Die Sommerrodelbahn Eberndorf wurde 1983 errichtet und eröffnet. ... Mit einer Länge von 1.216 m und einem Höhenunterschied von 158 m war sie damals die längste Sommerrodelbahn in Kärnten."


Quelle des verlinkten Fotos mit weiteren alten Aufnahmen ("Lost Place"):
alpinforum.com - Achenkirch | 09.04.2011 | LSAP-Abendspaziergang

Fazit: Insbesondere bei ÖPNV-Anfahrt ist diese Quer-Überschreitung eine lohnende Tagestour für den Vor-Sommer oder die Herbstzeit. Machbar wird sie auch mit Parken des Autos im Achental und kurzer Busfahrt (VVT#7801). Für "Fortgeschrittene" ist der gesamte Anstieg bis auf den Gipfel auch barfüßig möglich, was die Information beinhaltet, dass die Route nicht besonders schwierig ist, lediglich der steilere Ausstiegsbereich (Ausrichtung: O-NO = Altschnee im Frühjahr) ist mit T4+ zu bewerten. Voraussetzung sind allerdings sicheres Steigen im weglosen Gelände und Orientierungssinn. Konzentration und Trittsicherheit erfordert noch der Steig durch die wilde Westflanke im oberen Bereich. Ich komme ganz bestimmt wieder...

Hier geht's zum nächsten Tag mit der Unnutz-Komplett-Überschreitung (Hinterunnutz-Nordgrat)